Kirchenmusik zwischen Spiritualität und Sozialraum


Quelle: midi-Newsletter Februar 2024, mi-di.de

Die Evangelische Arbeitsstelle Midi hat im Februar ihre neueste Studie über die „sozioreligiöse Relevanz der Kirchenmusik“ vorgelegt, die zusammen mit der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) erstellt wurde. Sie belegt, dass Kirchenmusik eine erstaunlich hohe Zahl von Menschen verbindet und dabei tief in die christliche Religion eintauchen lässt.

Daniel Hörsch von midi sowie Oberkirchenrat Christian Fuhrmann von der EKM haben in dieser Studie eindrücklich aufgezeigt, was für eine große Bedeutung und welch wichtige Funktion die klassische Kirchenmusik für unsere Kirche hat. Hier beeindrucken schon die äußeren Zahlen: Rund 21.000 Menschen sind allein in der EKM – einer mit gut 600.000 Mitgliedern relativ kleinen Landeskirche – musikalisch aktiv. Mit ihren Aktivitäten innerhalb wie außerhalb des gottesdienstlichen Lebens sprechen diese eine um ein Vielfaches höhere Anzahl von Menschen an. Dabei wird auch, aber keineswegs nur von Musik im Gottesdienst gesprochen. Deutschlandweit kamen im Jahr 2019 rund 7,4 Millionen Menschen in rund 66.000 Musikveranstaltungen außerhalb (!) der Gottesdienste in unsere Kirchen. Das ist eine gewaltige Zahl. Wo kommen sonst so viele Menschen in Kontakt mit Kirche?

Vier gute Gründe für Kirchenmusik

Erstens: Kirchenmusik bildet Gemeinschaft. 88% der kirchenmusikalisch Aktiven gaben an, dass der Umstand, gemeinsam mit anderen etwas zu machen, bedeutsam für ihr Engagement sei. Sie mögen die Leute und auch der Peer-Group-Effekt, dass Freund:innen bzw. Familienmitglieder schon Mitglied der Gruppe waren, ist ausschlaggebend. 45,5% der Aktiven sind über 25 Jahre kirchenmusikalisch engagiert und weitere 25,3% zwischen 11 und 25 Jahren. Die Hälfte der Aktiven gibt überdies an, dass ihre Verbundenheit zur Kirche durch das kirchenmusikalische Engagement stärker geworden sei. 

Zweitens: Kirchenmusik stärkt den Glauben. Wer Kirchenmusik betreibt oder auch nur konsumiert, kommt mit zentralen Aussagen des christlichen Glaubens in Berührung. Viele Chorstücke und Oratorien sind vertonte Bibelworte, Christuszeugnisse und Gebete. Auch bei vielen Instrumentalstücken kommt man gar nicht umhin, sich mit den Inhalten des christlichen Glaubens auseinanderzusetzen. 

Drittens: Kirchenmusik ist Seelsorge. 98,9% der Aktiven geben an, dass die Freude am Musizieren für sie bedeutsam sei. 92,5% der Aktiven tut das kirchenmusikalische Engagement einfach gut bzw. es trägt dazu bei, dass sie Abstand vom Alltag gewinnen (74,5%). Für 85,8% der Befragten löst „die Musik ein erhebendes Gefühl aus.“ – Viele von ihnen deuten diese Erfahrung dabei spirituell. So geben 67,1% an, dass ihr Engagement „zum Lobe Gottes“ sei. Für mehr als die Hälfte der Aktiven ist es „eine Form, in der ich Gott erfahre“ und für 44,5% „eine Form intensiver religiöser Erfahrung“.

Viertens: Kirchenmusik wirkt in den Sozialraum. Knapp 80% der Aktiven sind evangelische Kirchenmitglieder, rund 12% aber auch konfessionslos. 6% sind römisch-katholisch, rund 2% gehören einer Freikirche an. Sie wollen das Gemeindeleben durch aktiv mitgestalten und das örtliche Leben kulturell bereichern. Fast 40 % der musikalisch Aktiven engagieren sich zusätzlich für die Zivilgesellschaft. Damit ist Kirchenmusik nicht nur ein ökumenischer, sondern auch ganz allgemein ein erheblicher Präsenzfaktor kirchlichen Lebens im Sozialraum. 

Fragen, die offen bleiben

Wie möchte Kirche jenen rund 75% der Befragten antworten, die sich laut der aktuellen Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU VI) „mehr moderne Musik“ in der Kirche wünschen. 

Was machen wir mit der immer größer werdenden Zahl von Menschen machen, die mit klassischer Musik nichts anfangen können?

Zu denken gibt auch der Altersdurchschnitt. Rund die Hälfte der kirchenmusikalisch Aktiven ist zwischen 50 und 69 Jahren, weitere 23% über 70. Ähnliches lässt sich für die Menschen vermuten, die sie mit ihrem Angebot ansprechen. 

Wir werden nicht umhinkommen, unser klassisches Angebot durch ein ebenso starkes popularmusikalisches Angebot zu ergänzen, damit wir noch stärker in die Breite unserer Kirche hineinwirken und die großartigen Ergebnisse, die unsere Studie aufzeigt, auch für kommende Generationen noch Gültigkeit haben. 

Klaus Douglass

Evangelische Arbeitsstelle Midi, Berlin

(Redaktionell gekürzt)